Während der Schutz vor sexueller Belästigung seit mehr als 20 Jahren im luxemburgischen Arbeitsgesetzbuch verankert ist[1], fehlte der Schutz vor Mobbing bisher in den Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches.
Bis zum 29. März 2023 war der Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz ausschließlich durch eine Vereinbarung über Belästigung und Gewalt am Arbeitsplatz vom 25. Juni 2009 geregelt, die zwischen den Gewerkschaften OGB-L und LCGB einerseits und dem Dachverband der Arbeitgeberorganisationen (Union des Entreprises Luxembourgeoises) andererseits geschlossen und durch eine großherzogliche Verordnung vom 15. Dezember 2009 für allgemein verbindlich erklärt wurde[2] (im Folgenden die “Vereinbarung“).
Da der Gesetgeber der Auffassung war, dass diese Regelungen nicht ausreichen, um Arbeitnehmer vor Mobbing am Arbeitsplatz zu schützen (einige Stimmen sprachen sogar von einer Gesetzeslücke im Arbeitsrecht), wurde am 9. März 2023 ein Gesetz zur Änderung des Arbeitsgesetzbuches und zur Einführung einer Regelung zum Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz von der Abgeordnetenkammer verabschiedet und ist am 29. März 2023 in Kraft getreten (im Folgenden das “Gesetz“).
Der Schutz vor Mobbing ist daher nun in den Artikeln L.246-1 ff. des Arbeitsgesetzbuches verankert.
Die Vereinbarung, die nicht aufgehoben wird, wird also künftig neben dem Gesetz bestehen bleiben und dieses ergänzen oder präzisieren, soweit ihre Bestimmungen nicht im Widerspruch zu den Bestimmungen des Gesetzes stehen.
In jedem Fall ist zu beachten, dass der persönliche Anwendungsbereich des Gesetzes mit dem der Vereinbarung und dem der sexuellen Belästigung[3] übereinstimmt und es somit für alle Arbeitnehmer[4], Praktikanten, Auszubildenden, Schüler und Studierenden[5] gilt.
Enthalten sind jedoch eine Reihe von Neuregelungen, die sich in weiten Teilen an den Regeln orientieren, die für den Fall der sexuellen Belästigung erlassen wurden.
Welche Neuregelungen sind im Gesetz vom 29. März 2023 enthalten?
1) Erweiterung des Begriffs des Mobbings über den rein beruflichen Kontext hinaus
Die gesetzliche Definition des Begriffs Mobbing (“jedes Verhalten, das durch Wiederholung oder Systematisierung die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person verletzt”) enthält zwar keine besonderen Neuerungen im Vergleich zu der Vereinbarung[6], das Gesetz erweitert jedoch den Anwendungsbereich des Arbeitnehmerschutzes auf Mobbinghandlungen, die während “Geschäftsreisen, beruflichen Fortbildungen, Kommunikationen im Zusammenhang mit oder aufgrund der Arbeit mit beliebigen Mitteln und sogar außerhalb der normalen Arbeitszeit” ausgeübt werden [7].
Das Gesetz sieht also ausdrücklich vor, dass Mobbinghandlungen auch außerhalb des üblichen Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers auftreten können, ferner, dass sich der Schutz vor solchen Verhaltensweisen auch außerhalb des Arbeitsplatzes und/oder der Arbeitszeit erstreckt.
2) Der Schutz vor Mobbing wird auf Handlungen von Kunden oder Lieferanten ausgeweitet
Wie bei der sexuellen Belästigung dehnt das Gesetz den Schutz vor Mobbing nun auch auf Handlungen aus, die von Kunden oder Lieferanten des Unternehmens begangen werden.
3) Verpflichtende Maßnahmen des Arbeitgebers
Zunächst legt das Gesetz dem Arbeitgeber bei Mobbing die gleichen Pflichten auf, die das Arbeitsgesetzbuch bereits bei sexueller Belästigung vorsieht, nämlich:
Was den letzten Punkt betrifft, so ist das Gesetz im Vergleich zu den Bestimmungen über die sexuelle Belästigung dennoch innovativ, da es ausdrücklich fünf Maßnahmen benennt, die der Arbeitgeber aufgrund dieser Verpflichtung mindestens umsetzen muss. Hierzu zählen
1) Maßnahmen festlegen, die den Opfern von Mobbing zur Verfügung stehen, insbesondere Betreuung, Hilfe und Unterstützung sowie ihre Unterstützung und Wiedereingliederung am Arbeitsplatz und Festlegung der Art und Weise, wie sie sich an die Personalvertretung wenden können;
2) Mobbingfälle zügig (aber nicht innerhalb einer bestimmten Frist) und unparteiisch zu untersuchen;
3) Arbeitnehmer und Führungskräfte für die Definition von Mobbing, den Umgang mit Mobbing und dessen Sanktionen zu sensibilisieren;
4) die Personalvertretung oder alternativ die gesamte Belegschaft über die Verpflichtungen des Arbeitgebers zu informieren und
5) die Beschäftigten zu informieren und zu schulen.
Im Gegensatz zur Vereinbarung schweigt das Gesetz jedoch über die konkrete Umsetzung dieser Maßnahmen, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit Beschwerden über Mobbing. Das Gesetz beschränkt sich nämlich darauf, bezüglich der oben genannten Maßnahmen vorzusehen, dass der Arbeitgeber sie “an die Art der Tätigkeiten und die Größe des Unternehmens anzupassen” und darauf zu achten hat, dass er ihre Umsetzung insbesondere im Falle einer Kontrolle durch das Gewerbe- und Grubenaufsichtsamt (Inspection du travail et des mines, im Folgenden „ITM“, siehe oben) beweisen kann.
In diesem Zusammenhang müssen sich die Arbeitgeber also weiterhin auf die Bestimmungen der Vereinbarung beziehen, die weiterhin in Kraft bleiben und das Gesetz somit ergänzen wird.
4) Die Rolle der Personalvertretung
Wie bereits im Rahmen der Vereinbarung muss die Personalvertretung im Zusammenhang mit der Einführung von Schutzmaßnahmen informiert und/oder konsultiert werden, da das Gesetz folgende Verpflichtungen des Arbeitgebers vorsieht:
Wie für den Fall der sexuellen Belästigung sieht das Gesetz außerdem vor, dass die Personalvertretung “für den Schutz des abhängig beschäftigten Personals vor Mobbing sorgen muss“, wobei jedoch klargestellt wird, dass die Personalvertretung den Beschäftigten, der gemobbt wird, unterstützen und beraten kann (wie dies bereits im Rahmen der Vereinbarung der Fall war), dass sich dieser Beschäftigte aber auch im Rahmen der vom Arbeitgeber veranlassten Untersuchung des Mobbings von einem ihrer Mitglieder begleiten und unterstützen lassen kann[10].
Darüber hinaus ermöglicht das Gesetz auch und vor allem der Personalvertretung, mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers, die ITM zu befassen, wenn sie dies für notwendig erachtet (siehe oben).
5) Die Einleitung eines Verfahrens vor der ITM
Die größte durch das Gesetz eingeführte Neuerung, die es weder im Rahmen der Vereinbarung noch auf dem Gebiet des Schutzes vor sexueller Belästigung gab, ist die Möglichkeit, für den betroffenen Arbeitnehmer oder die Personalvertretung (mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers), die ITM in den nachfolgenden zwei Fällen anzurufen:
Nach der Befassung wird die ITM ihre eigene Untersuchung durchführen, bei der sie alle Beteiligten anhören wird (Arbeitnehmer/in als Opfer, mutmaßlicher Täter und/oder andere Arbeitnehmer/innen als Zeugen usw.). Nach Abschluss dieser Untersuchung und der Prüfung der Angelegenheit und wenn die ITM zu dem Schluss kommt, dass ein Fall von Mobbing vorliegt, wird ein Bericht mit Empfehlungen zur Beendigung der Mobbinghandlungen erstellt und an den Direktor der ITM übergeben, der dann innerhalb von 45 Tagen nach Erhalt der Unterlagen einen vollständigen Bericht mit Aufforderungen zur Beendigung der Mobbinghandlungen innerhalb einer von ihm festgelegten Frist an den Arbeitgeber übermittelt.
Bei Nichteinhaltung dieser Anordnungen droht dem Arbeitgeber eine Verwaltungsstrafe zwischen 25 und 25.000 Euro, die im Wiederholungsfall verdoppelt werden kann[12].
6) Der Schutz des Arbeitnehmers vor Vergeltungsmaßnahmen
Diese Bestimmungen des Gesetzes sind im Vergleich zu der Vereinbarung neu, jedoch bestehen sie bereits bezüglich sexueller Belästigung, Diskriminierung oder auch Whistleblowing bei Korruption: der Arbeitnehmer, der Opfer oder Zeuge von Mobbinghandlungen ist, darf nicht Opfer von Vergeltungsmaßnahmen werden, weil er Mobbinghandlungen verweigert oder gegen sie protestiert oder deren Existenz bezeugt hat[13].
Jede Disziplinarmaßnahme, die der Arbeitgeber aus diesem Grund ergreift, einschließlich der Entlassung des Arbeitnehmers, der Opfer oder Zeuge ist, ist von Rechts wegen unwirksam. Das Gesetz sieht diesbezüglich, wie bereits in den anderen oben genannten Bereichen, ein besonderes Verfahren vor, das dem betroffenen Arbeitnehmer ermöglicht, innerhalb von 15 Tagen nach Bekanntgabe der Disziplinarmaßnahme gegen ihn, also im Falle einer Entlassung innerhalb von 15 Tagen nach Bekanntgabe der Kündigung seines Arbeitsvertrags, durch einen einfachen Antrag beim Vorsitzenden des Arbeitsgerichts, der in einem Eilverfahren entscheidet, die Feststellung der Nichtigkeit und die Anordnung seiner Weiterbeschäftigung oder gegebenenfalls seiner Wiedereinstellung zu verlangen.
Wie bei den anderen oben genannten Themen hat der Arbeitnehmer ein Wahlrecht: er kann sich nämlich auch dafür entscheiden, nicht die Feststellung der Nichtigkeit seiner Kündigung zu beantragen, um seine Weiterbeschäftigung/Wiedereinstellung zu erreichen, sondern eine Klage wegen ungerechtfertigter Kündigung einzureichen und Schadensersatz zu fordern.
In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass sich die beiden oben genannten Klagen, wie bei sexueller Belästigung, Diskriminierung oder Whistleblowing im Zusammenhang mit Korruption, gegenseitig ausschließen: Der Arbeitnehmer, der auf Feststellung der Nichtigkeit geklagt hat, kann nicht mehr in Bezug auf die ungerechtfertigte Kündigung klagen und Schadensersatz verlangen, und umgekehrt.
7) Möglichkeit des Arbeitnehmers, seinen Arbeitsvertrag mit sofortiger Wirkung zu kündigen
Wie bei sexueller Belästigung, aber auch generell bei grobem Fehlverhalten des Arbeitgebers, gestattet das Gesetz dem Arbeitnehmer, der Opfer von Mobbing geworden ist, weiterhin, den Arbeitsvertrag wegen einer schwerwiegenden Pflichtverletzung seitens des Arbeitgebers mit sofortiger Wirkung zu kündigen und den Arbeitgeber auf Schadenersatz zu verklagen. Es handelt sich also nicht um eine Besonderheit im Zusammenhang mit Mobbing (oder sexueller Belästigung), sondern um eine klassische Anwendung arbeitsrechtlicher Bestimmungen.
8) Strafrechtliche Sanktionen gegen den Arbeitgeber
Die letzte Neuerung des Gesetzes, die speziell für Mobbing gilt, ist die Einführung strafrechtlicher Sanktionen gegen den Arbeitgeber.
Sofern der Arbeitgeber Mobbinghandlungen verübt oder er es unterlässt, Maßnahmen zu ergreifen, um Mobbinghandlungen, von denen er Kenntnis hat, unverzüglich zu beenden, Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vor Mobbing am Arbeitsplatz festzulegen, eine interne Überprüfung hinsichtlich Mobbings zu veranlassen oder er Vergeltungsmaßnahmen gegen das Opfer oder die Zeugen von Mobbinghandlungen ergreift[14], kann dieser zu einer Geldstrafe zwischen 251 und 2.500 Euro[15] verurteilt werden.
Anzumerken ist, dass solche strafrechtlichen Sanktionen im Bereich der sexuellen Belästigung nicht vorgesehen sind.
[1] Der Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz wurde durch ein Gesetz vom 26. Mai 2000 in das Arbeitsgesetzbuch aufgenommen, das durch ein Gesetz vom 13. Mai 2008 geändert wurde.
[2] https://legilux.public.lu/eli/etat/leg/rgd/2009/12/15/n2/jo
[3] Artikel L.245-1 des Arbeitsgesetzbuchs.
[4] Im Sinne von Artikel L.121-1 des Arbeitsgesetzbuchs: sind daher diejenigen vom Anwendungsbereich des Gesetzes ausgeschlossen, die eine Tätigkeit als Trainer oder Sportler in Erfüllung eines Vertrags mit einem anerkannten Verband oder einem angeschlossenen Verein ausüben, wenn die betreffende Tätigkeit nicht hauptberuflich und regelmäßig ausgeübt wird und ihre jährliche Vergütung das 12-fache des sozialen Mindestlohns nicht übersteigt.
[5] Neuer Artikel L.246-1 des Arbeitsgesetzbuchs.
[6] Die Vereinbarung vom 25. Juni 2009 definiert Mobbing als “schuldhafte, wiederholte und bewusste Handlungen mit dem Ziel oder der Folge:
[7]Neuer Artikel L.246-2 des Arbeitsgesetzbuchs
[8] Neuer Artikel L.246-3 (3) des Arbeitsgesetzbuchs
[9] Neuer Artikel L.246-3 (4) des Arbeitsgesetzbuchs
[10] Neuer Artikel L.246-5 (2) des Arbeitsgesetzbuchs
[11] Neuer Artikel L.246-3 (5) des Arbeitsgesetzbuchs
[12] Artikel L.614-13 des Arbeitsgesetzbuchs
[13]Neuer Artikel L.246-4 des Arbeitsgesetzbuchs
[14]Neuer Artikel L.246-7 des Arbeitsgesetzbuchs
[15]Diese kann im Falle einer Wiederholung innerhalb von 2 Jahren verdoppelt werden
English version of our article available here.
Version française ici.